The The
Mind Bomb
1989, Epic Records
Mit Mind Bomb, dem dritten Longplayer von The The vollzog Matt Johnson die Transformation vom Ein-Mann-Projekt zum Band-orientierten Songwriter. Mit Johnny Marr, dem Gitarristen von The Smiths, James Eller und David Palmer entstand ein Album, das völlig anders klang als seine Vorgänger aber durch seine nahezu prophetisch-politischen und (anti-)religiösen Statements nicht typischer für The The hätte sein können.
Lässt man Burning Blue Soul (1981), das ein reines Soloprojekt von Matt Johnson war und daher gerne als erstes Album von The The betrachtet wird, außen vor, versammelte der 1961 in London geborene Brite bereits auf Soul Mining (1983) und Infected (1986) zahlreiche Gastmusiker um sich herum. Die vorwiegend Synthesizer-lastigen Songs schrieb und arrangierte Johnson dabei selbst. Der Entstehungsprozess von Mind Bomb hingegen, wurde stark von Johnny Marr beeinflusst, den Johnson seit seiner Jugend kannte. Bereits im Vorfeld der Aufnahmen plante man gemeinsam, dafür eine feste Band ins Leben zu rufen, die anschließend mit dem Album auf Tour gehen sollte. Mit James Eller (Billy Bragg, The Pretenders, Nick Lowe, Mark Knopfler u. v. a.) und Drummer David Palmer (ABC, Andy Taylor, Paul Young, Rod Stewart, Kirsty MacColl) fanden Marr und Johnson schnell die geeigneten Mitstreiter um ins Studio zu gehen und ihre Vision von einem organischen, „handgemachten“ Klangbild umzusetzen. Die Liste der Gastmusiker ist beeindruckend: Mark Feltham (Harmonika), Danny Cummings (Percussion), Danny Thompson (Double Bass), John Eacott (Flügelhorn), Gavin Wright (arabische Laute), Chris White (Saxophon), Ashley Slater (Posaune) u. v. m. reicherten The The mit neuen Klangfarben an, Sinéad O’Connor konnte als Duett-Partnerin für „Kingdom Of Rain“ gewonnen werden.
Matt Johnson schien beim Schreiben der Texte eine Art Vorahnung zu haben: Mind Bomb, das unter anderem auch die Themen Krieg und Glaubensfanatismus zentralisiert, wurde knapp ein Jahr vor der irakischen Invasion von Kuwait und vierzehn Jahre vor dem zweiten Golfkrieg veröffentlicht. Der zweite Golfkrieg war noch vierzehn Jahre entfernt. Bereits der Einstiegstrack „Good Morning Beautiful“, mit seinem hintergründigen Muezzin-, wenn nicht gar Qawwali-Ruf schleicht sich mit einer unheilverkündenden Dringlichkeit an den Hörer heran: “ Ich weiß, dass Gott in jedermanns Seele wohnt. Und der einzige Teufel in deiner Welt lebt im menschlichen Herzen! Frag Dich jetzt. Was ist menschlich? Was ist Wahrheit?“ Wenn dann im Anschluss auf „Armageddon Days Are Here (Again)“ Johnson Mohammed, Buddha und Jesus – den „Chor der Propheten“ mit einem rock’n’rolligen „Let’s-Go“ zum gemeinsamen Gesang anstimmt und dabei lauthals verkündet, dass „Gott weder in Israel noch Rom wohnt, nicht dem Yankee-Dollar gehört und auch nicht die Hisbollah-Bomben plant“, muss man sich zwangsläufig fragen, ob eine Plattenfirma heutzutage noch den Mumm in den Knochen haben würde, derlei Textzeilen auf die Öffentlichkeit loszulassen. Doch es sind nicht nur die bissig-reflektierenden Lyrics, die Mind Bomb zu einem der visionärsten Alben der Achtziger Jahre machen. Es sind die Songs selbst, die das Quartett kraftvoll, glaubwürdig und dramaturgisch hochkarätig inszeniert. Man kann sich David Bennun nur anschließen: „… eine großartige Platte, geschaffen von einer bemerkenswerten Band“.
Track Listing
Side A:
- Good Morning Beautiful
- Armageddon Days Are Here (Again)
- The Violence Of Truth
- Kingdom Of Rain
Side B:
- The Beat(en) Generation
- August & September
- Gravitate To Me
- Beyond Love