Roger Waters
"The Dark Side Of The Moon Redux" - die Verschandelung eines Denkmals?
Eine rein subjektive, unbedingt objektive Betrachtung des neuen Album-Release von Roger Waters.
Gleich vorab: Die politischen Ansichten und jüngsten Aussagen des britischen Musikers Roger Waters sollen nicht Bestandteil dieses Artikels werden – die Veröffentlichung von The Dark Side Of The Moon Redux, dem siebten Studioalbum des ehemaligen Mitbegründers von Pink Floyd, ist schon polarisierend genug. The Dark Side Of The Moon, das mit Fug und Recht zu den besten Alben der Musikgeschichte gezählt wird, feiert im Jahr 2023 sein fünfzigjähriges Jubiläum und hält dabei einen ungebrochenen Rekord: Sage und schreibe 736 Wochen (!) hielt es sich ohne Unterbrechung in den Top 200 der amerikanischen Billboard-Charts auf und verkaufte bis heute fast 50 Millionen Tonträger. In einer der Pressemitteilungen zu The Dark Side Of The Moon Redux schrieb Waters: „Dave, Rick, Nick und ich waren so jung, als wir das Original geschrieben haben. Wenn man sich die Welt um uns herum so ansieht, ist unsere Botschaft offensichtlich nicht hängen geblieben. Deshalb fing ich an zu überlegen, was die Weisheit eines 80-Jährigen in eine neu gestaltete Version einbringen könnte.“ Schon in der Formulierungen „die Weisheit eines 80-Jährigen“ und der „offensichtlich nicht hängengebliebenen Botschaft“ liegt das Kernproblem der Veröffentlichung: die überhebliche Selbstüberschätzung des Mr. Waters. Zu glauben, eine über ein Musikalbum transportierte Botschaft könne die Welt nachhaltig verändern, ist aller romantischer Ehren wert, jedoch zutiefst blauäugig und naiv. Es fällt schwer zu glauben, dass eine gerechte, friedliche und harmonische Welt, man erinnere sich an die philosophischen, religiösen und gesellschaftskritischen Textanklänge des Originalalbums, von jemanden propagiert werden kann, der in offensichtlicher „Uneinigkeit“ mit seinen ehemaligen Bandkollegen lebt. Es mutet doch reichlich seltsam an, wenn jemand die Welt verbessern möchte, aber es nicht schafft, die Streitigkeiten der Vergangenheit hinter sich zu lassen. Natürlich weiß man nur wenig über die internen Zerwürfnisse der Band und Waters wird hierfür sicherlich nicht alleine verantwortlich gewesen sein. Doch seitdem er auf Solopfaden wandelt, fiel von ihm in der Öffentlichkeit nur selten ein versöhnliches Wort hinsichtlich seiner Ex-Mitstreiter David Gilmour, Nick Mason und Rick Wright. So verwundert es auch nicht, dass auf The Dark Side Of The Moon Redux nicht die kleinste Spur von David Gilmours Gitarrensoloarbeit, die zu dieser Ära bereits den Sound von Pink Floyd prägte, zu finden ist – ganz zu schweigen von einer persönlichen Einladung ins Studio. Dies impliziert wiederum, dass Waters sich als alleinigen Transmitter der Floydschen Botschaft(en) sieht. Selbstverständlich stammen die Texte der Pink-Floyd-Meilensteine aus der Feder des 1943 in Great Bookham/Surrey geborenen Musikers. Die Art und Weise jedoch, wie er den Pink-Floyd-Katalog an sich riss, dies betrifft vor allem seine Live-Shows zu „The Wall“, hinterließ nicht nur in der Musikpresse einen zwiespältigen Eindruck. Zudem sitzt Waters dem weit verbreiteten Irrtum auf, dass ein hohes Lebensalter automatisch mit „Weisheit“ gleichzusetzen sei. Das Ansammeln von Erfahrungen und die Fähigkeit aus Erfahrungen zu lernen sind zwei Paar Stiefel. Ob individuelle Erfahrungswerte am Ende des Tages in „Wissen“ münden, wird der Metaphysiker – Waters gibt sich nun mal gerne als spiritueller Sinnsucher – zu recht verneinen. Und ob die Überzeugungen eines einzelnen, dem Wohl der Welt dienen, mag genauso dahingestellt sein. Schließlich sind es gerade jegliche Formen des Glaubens und die felsenfesten Überzeugungen, die letzten Endes dafür Sorge tragen, dass dieser Planet ein schier unerschöpfliches Reservoir an sich entgegenstehenden, unversöhnlichen Spannungsfeldern bietet.
Von der nur bedingt vorhandenen Altersweisheit mal abgesehen, will Waters uns schon bei den ersten Takten von „Speak To Me“ sagen, wo der „Barthel den Most“ holt: „The memories of a man in his old age are the deeds of a man in his prime“, was übersetzt so viel heißen will wie “ Die Erinnerungen eines Mannes im hohen Alter sind die Taten eines Mannes in seinen besten Jahren“. Diese doch recht eingeschränkte Sichtweise auf das Leben und das Älterwerden, zieht sich wie ein roter Faden durch das ganze Album – meist in sprechender Gestalt und zuweilen (schlecht) gesungen. Die mit hochkarätigen Musikern wie Gus Seyffert, Joey Waronker, Jonathan Wilson, Jon Carin, Johnny Shepherd, Azniv Korkejian, Via Mardot, Gabe Noel und Robert Walter eingespielten Tracks, werden so leider verwässert und erscheinen damit auch ziemlich blutleer. Falls Waters die Absicht hatte, The Dark Side Of The Moon neu zu konzipieren und damit die Aussagen des Albums neu zu adressieren, war sein Vorhaben von Anfang an zum Scheitern verdammt. Wenn er damit einfach nur Geld verdienen wollte, könnte ihm dies mit seinem neusten Release gelingen – dank der Kraft des Originalalbums und der Neugier der Pink-Floyd-Fans. Vielleicht hätte The Dark Side Of The Moon Redux sogar funktioniert – als reines Instrumentalalbum, ohne die eitle, klugschwätzerische Selbstinszenierung des Mr. Waters.