Hören Sie uns zu! genuin audio @ the leading international audio show: HIGHEND München, 9. bis 12. Mai 2024 – Halle 3, R14

Sie haben Fragen? Rufen Sie uns an: +49 (0) 355 38377808

Everything Is Recorded

Temporary

XL Recordings/Beggars Group/Indigo

← Musik
Album 03.03.2025

Richard Russel ist nicht nur „Head Of“ XL Recordings, eins der etabliertesten Indie-Dance-Labels der Insel. Er ist auch Musiker, Produzent, scheint eine Sammelleidenschaft für Samples zu haben und veröffentlicht von Zeit zu Zeit auch selber Alben – unter dem Projektnamen „Everything Is Recorded“. Mal abgesehen von zwei „Digital-Only-Releases“, liegt seine letzte Veröffentlichung inzwischen fünf Jahre zurück. Gut so, denn Temporary toppt sogar das selbstbetitelte und Mercury-Prize-nominierte Debüt und hat das Zeugs zum Album des Jahres 2025!

Was hat er auf er auf seinem Label schon alle produziert und veröffentlicht: Adele, Fatboy Slim, The Prodigy, Thom Yorke, The White Stripes, Gil Scott-Heron und so weiter und so fort. Wenn Russel also ruft, dann kommen sie (fast) alle – zumindest die Künstler, die auf XL Recordings ihre Veröffentlichungsheimat gefunden haben und in sein musikalische Vision passen. Daher verwundert es nicht, dass keiner der eben aufgezählten auf Temporary gelandet ist, denn das fünfte Album des Briten scheint nicht als kommerzielle Attacke auf den Mainstream gedacht zu sein – es liebäugelt, genauso wie die Vorgänger, mit dem Underground. Dennoch ist es, trotz seines der modernen Electronica verpflichteten Sounddesigns, sehr eingängig geraten. Würde man es klassisch, mit Streichern und Bläsern instrumentieren, könnte man die Songs auch den stimmgewaltigen Chartstürmen dieses Planeten anbieten und diese hätten durchaus Erfolg damit. Stattdessen lud er sich Musiker wie Sampha, Laura Groves, Alabaster DePlume, Yazz Ahmed, Berwyn, Kamasi Washington, Jah Wobble und Noah Cyrus, Mileys Schwester, ins Studio – allesamt Persönlichkeiten, die Miles Davis seinerzeit mit „Hot Dudes“ tituliert hätte.

Trotz der stilistisch durchaus divergierenden Protagonisten ist Temporary keine zusammenhanglose „Featuring“-Kompilation, es klingt wie aus einem Guss. Dafür sorgen hauptsächlich das textliche Fundament – es werden Themen wie Vergänglichkeit, Tod und Trauer besungen – sowie die ausgeprägte Soul-Attitüde des Albums. Denn obwohl Russell sowohl mit einer glatten als auch sperrigen, elektronischen Soundästhetik arbeitet, steht das Hand- und Mundgespielte auf Temporary im Vordergrund. Letztere verleihen den Songs einen organischen Charakter, der sich gerne auch dem guten, alten Folk hingibt – Florence Welch, Maddy Prior (Steeleye Span) und Bill Callahan, die sich hier ebenfalls ein Stelldichein geben, sei Dank. Temporary ist vielleicht eine der lebensbejahendsten Moll-Alben, die jemals geschrieben worden sind. Überraschend ist, dass Russell der Melodie Vorrang vor dem Rhythmus gegeben hat, das war in seiner langen Karriere meist nicht der Fall. Dies schienen auch die Gastmusiker zu honorieren, denn auch ein fantastischer Sänger wie Sampha steigt durch Russell in neue Höhen auf. „Everything Is Recorded“ hat sich mit Temporary selbst übertroffen, lediglich der Zeitpunkt der Veröffentlichung erstaunt: Ein Release-Termin zum Herbstende hätte mehr Menschen in Russells wundersame Welt gelockt.

Album-Formate

Download/Streaming https://everythingisrecorded.bandcamp.com/album/Temporary
LP XL1941LP
CD XL1941CD